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Der etwas andere Einsatzbericht - Teil 1 von 5

15.09.2018

 

Vor gut zwei Wochen konnte vom Waldbrand bei Frohnsdorf, einer der größten in der Geschichte Brandenburgs, „Feuer aus“ gemeldet werden. 9 Tage Dauereinsatz, ca. 400 Hektar verbrannte Fläche, drei evakuierte Ortschaften und rund 5000 eingesetzte Einsatzkräfte verschiedener Hilfsorganisation. Von der ersten bis zur letzten Minute mit dabei, die ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden unserer Ortsfeuerwehr.

 

Wie haben diese die Tage im Wald erlebt? Was sind ihre Eindrücke? Wir stellen einige Feuerwehrfrauen und -männer mit ihren ganz persönlichen Erlebnissen vor … der etwas andere Einsatzbericht. Heute Teil 1 von 5.

 

Name: Vivien Stolze-Lange

Alter: 41

Dienststellung: Truppfrau

Familienstand: verheiratet, 4 Kinder

Beruf: Orga-Leiterin eines Lohnsteuerhilfevereins

 

Es war der 23.08.2018 als um 12.38 Uhr die Alarmierung "B:Wald, Frohnsdorf, Lindower Weg" mein Brandenburger Büro durchdröhnte. OK, keine Chance, der Terminkalender ist durchweg bis 17 Uhr im Stundentakt belegt. Ich schob den Einsatz aus dem Kopf. Nichtsahnend dessen, was in den nächsten Tagen auf uns alle zukommt.

 

Gegen 14 Uhr klingelt das Handy. Was möchte jetzt der Feuerwehrvereinschef von mir … ? „Vivien, wir brauchen dich hier dringend, der Einsatz wird länger dauern, kannst du eine Versorgung der Kräfte organisieren?“ Ich? ... bin doch voll ausgebucht und kann frühestens um 18 Uhr in Treuenbrietzen sein. Ich schaue was ich machen kann. „Ja ok sagte er, melde dich sobald du was weißt.“

 

Dank der Flexibilität meiner Mitarbeiter, welche meinen Ausfall kurzfristig kompensieren konnten, machte ich mich auf den Weg nach Treuenbrietzen. Erreichen konnte ich zu diesem Zeitpunkt schon keinen unserer Kameraden mehr. Demnach auch nichts von unterwegs an Essen organisieren.

 

Es ist beunruhigendes Gefühl 50 km weit zu fahren und im Radio zu hören was los ist und die Rauchsäule immer vor den Augen zu haben.

 

Gegen 15.30 Uhr erreichte ich unser leeres Gerätehaus – kein Kamerad - kein Fahrzeug standen mehr in der Wache. Langsam wurde die Unruhe immer größer. Ich schaltete das Funkgerät an und konnte so das Geschehen verfolgen. Meldung über eine immer größer werdende Brandfläche, das Feuer ist über die B102 gesprungen, frisst sich Richtung Klausdorf, nichts was wirklich beruhigte.

 

Langsam kamen andere Kameraden. Wir wollten helfen, konnten aber nicht. Wir müssen ja auf ein Fahrzeug warten.

 

Dann der Anruf meiner Tochter, auch Kameradin draußen im Wald. „Mutti, hier ist viel Feuer und das Wasser knapp!“ Nicht unbedingt beruhigend, man hat Angst. „Wer ist dein Gruppenführer, ihr müsst doch da raus“. „Mutti … Holger“, alles klar, ein erfahrender, „alter Hase“ im Feuerwehrdienst, der weiß, was zu tun ist und die Situation für seine Mannschaft garantiert richtig einschätzt! Das beruhigte mich etwas.

 

Dann die Nachricht, macht euch bereit, wir holen euch mit dem Mannschaftstransportwagen ab und ihr tauscht die ersten Kameraden aus. Erlösend, endlich kann man was tun.

 

Aber auch dann wieder weiter warten auf dem Bereitstellungsplatz in Frohnsdorf. Zum späten Abend dann der Einsatz im Wald bei Klausdorf. Feuer, ja endlich können wir löschen. Vor mit 2 C-Schläuchen, gemeinsam mir anderen Kameraden aus Elbe-Elster. Nach 2 Minuten war Schluss – kein Wasser mehr.

 

Dann der Befehl des Gruppenführers, nehmt Schippen und alles was ihr bekommen könnt und errichtet einen Schutzstreifen bis zum nächsten Weg. Immer wieder mussten wir dem Feuer weichen und weiter hinten beginnen, ein Weg war in der dunklen Nacht bei weitem nicht zu sehen. Irgendwann kam dann auch für uns die Ablösung. Es käme eine Feuerwehr von der anderen Seite – mit Wasser. So fuhren wir zurück zum Gerätehaus, es war Freitag, bereits gegen 5 Uhr morgens.

 

Angekommen im Gerätehaus, als einzige Frau, nahm nun dieser Tag auch seinen Lauf. Die Versorgungstruppe hatte kein Öl, ob ich helfen könnte…? Na klar!

 

So blieb ich an diesem Tag im Gerätehaus und baute die Versorgungstelle mit auf. Ich übernahm mit Philip, einem unserer Gruppenführer, die Zentrale und wir begannen Schichtpläne für unsere Löschfahrzeuge zu erstellen, Telefonate anzunehmen. Immer mehr Menschen fragten nach, ob Hilfe benötigt wird, was gespendet werden kann. So kam es, dass an diesem Freitag eine unfassbare, nicht enden wollende Spendenbereitschaft unsere Feuerwehr überrollte.

 

Auf Nachfrage begann ich schließlich mit Brötchen schmieren und den immer mehr werdenden Feuerwehren aus dem Land Brandenburg und angrenzenden Bundesländern eine Versorgung zu bieten. Frauen und Männer aus Treuenbrietzen und von weit her haben sich im 4h-Schichtbetrieb (selbstorganisiert) mit jeweils 6 Leuten um uns alle gekümmert. Es kamen Spenden aus dem ganzen Land und sogar aus Berlin wurden leckere Sachen und Getränke gebracht. Alle Firmen und Menschen die gespendet haben aufzulisten ist und war nie möglich. Man kann nur einen riesengroßen Dank ins Land schicken, um alle zu erreichen.

 

Aber was passierte zu Hause in dieser Zeit? Es gibt ja noch weitere 3 Kinder und einen Ehemann. Alles lief ruhig. Und das verdanke ich meiner Nachbarin. Die, wie selbstverständlich, im Einsatz die Kinder betreut. Bereits am Donnerstagabend erhielt ich die Nachricht „Vivien, mach dir kein Kopf wir organisieren hier alles.“ Freitag früh die Nachricht, sie wurde von Ihrem Arbeitgeber freigestellt, zur Betreuung meiner Kinder. Wahnsinn und das von vollkommen unbeteiligten Menschen, für mich Unbekannte. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass wir 9 Tage nonstop im Wald bzw. auf der Feuerwache verbringen werden.

 

Als der Samstag dann bereits erkennen ließ, dass unser Einsatz übers Wochenende hinausgehen würde, stellte mich auch meine Firma für den Feuerwehrdienst frei. Meine Beratungsstellen wurden wie selbstverständlich von meinen Mitarbeitern weitergeführt.

 

In den darauffolgenden Tagen wurden wir im Schichtsystem von immer 6 Stunden auf Löschfahrzeuge der Stadt Treuenbrietzen eingesetzt. So konnten 24 Stunden am Tag unsere Einsatzfahrzeuge durch die Waldbrandgebiete rollen und ein erneutes Aufflammen oder eine Ausbreitung verhindern.

 

Jedoch konnte ich damit meinen Willen zu helfen nicht stillen. Ich besetzte also darüber hinaus auch weiterhin die Zentrale und half in der Versorgung. Gern war ich für die Feuerwehr aus unserer Partnerstadt Nordwalde auf ihrem Einsatzfahrzeug zur Stelle und unterstützte als ortskundige Einsatzkraft ihre Tätigkeiten. Somit schlief ich, wie so manch anderer in dieser Zeit, insgesamt vielleicht 18 Stunden. Was mir zu diesem Zeitpunkt auch nicht schwer viel, ich wusste für was ich es tat. Das einzige, was schmerzte, waren die Füße. Jeder weitere Tag in den Einsatzstiefeln wurde zur Herausforderung, was solls, Augen zu und durch.

 

Emotional war der Einsatz eine reine Achterbahnfahrt. Positiv auf jeden Fall war, den Zusammenhalt der Kameraden zu sehen. Zum Teil bestehende Differenzen spielten keine Rolle mehr, unsere große Feuerwehrfamilie hat funktioniert – ein tolles Gefühl. Es gab leider auch die ein oder andere Träne, wenn nicht immer berechtigt, aber in dieser stressigen Situation ist so manches Wort einfach zu viel gewesen.

 

Zusammenfassend muss ich sagen, dass mir dieser Einsatz einmal mehr gezeigt hat, warum ich in die Feuerwehr eingetreten bin. Geduld muss ich lernen das hörte ich oft. Aber ein Lächeln, ein Danke oder ein „du bist ja wie eine Mutti zu uns“ ist das, was mir 9 Tage lang Energie geschenkt hat. Und der Dank ging weit über das Gerätehaus hinaus. Kein Schritt ging ich durch die Stadt ohne, dass mir jemand einen Dank zu rief, gedrückt von fremden Leuten, stellvertretend für alle Kameraden. Es kamen Nachrichten aus ganz Deutschland, per Facebook, WhatsApp und Telefon.

 

In dieser Zeit haben sich viele Gefühle und Erinnerungen eingebrannt, ich habe, auch für zukünftige Einsätze, viel Erfahrungen gesammelt, viel mehr könnte ich über diesen Einsatz schreiben. Ich bin stolz Feuerwehrfrau in dieser Stadt zu sein.

 

Vivien Stolze-Lange

 

Bild zur Meldung: Vivien Stolze-Lange