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Der etwas andere Einsatzbericht - Teil 3 von 5

26.09.2018

 

Vor gut drei Wochen konnte vom Waldbrand bei Frohnsdorf, einer der größten in der Geschichte Brandenburgs, „Feuer aus“ gemeldet werden. 9 Tage Dauereinsatz, ca. 400 Hektar verbrannte Fläche, drei evakuierte Ortschaften und rund 5000 eingesetzte Einsatzkräfte verschiedener Hilfsorganisationen. Von der ersten bis zur letzten Minute mit dabei, die ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden unserer Ortsfeuerwehr.

 

Wie haben diese die Tage im Wald erlebt? Was sind ihre Eindrücke? Wir stellen einige Feuerwehrfrauen und -männer mit ihren ganz persönlichen Erlebnissen vor … der etwas andere Einsatzbericht. Heute Teil 3 von 5.

 

Name: Ute Saxen

Alter: 52

Dienststellung: Truppfrau
Familienstand: verheiratet, 2 Kinder
Beruf: Angestellte bei einem Dienstleistungsunternehmen für Brief- und Paketzustellung

 

Wie soll ich meine Erlebnisse vom Waldbrand bei Frohnsdorf zusammenfassen? Vom Urlaub in die Hölle, das passt vielleicht ganz gut.

 

Ich verbrachte mit meinem Mann Sönke, ebenfalls Feuerwehrmann, gerade unseren dritten Urlaubstag auf Usedom, als sich beim Mittagessen mein Handy meldete. Der Alarmierungs-App war zu entnehmen, dass nahe unserem Dorf ein Waldbrand ausgebrochen sei. Ich dachte mir, unsere Kameraden werden das schon machen. Doch so richtig loslassen wollte mich der Gedanke an den Einsatz nicht. Einmal Feuerwehrwehrfrau, immer Feuerwehrfrau, ob Urlaub oder nicht. Aber was soll´s, gut 300 KM entfernt konnten wir ja doch nichts machen.

 

Eine Stunde nach der Alarmierung rief uns unsere Tochter Lena an und sagte, dass es ziemlich heftig brennt und wir eventuell doch nach Hause kommen sollten. Irgendein Gefühl sagte mir die ganze Zeit, dass wir uns auf den Weg machen sollten. Mein Mann Sönke, wie immer die Ruhe in Person, wollte erstmal in Ruhe essen. Als uns dann ein Kamerad anrief, welcher uns, wie auch unsere Tochter schon, empfahl die Heimreise anzutreten, fuhren wir dann doch in unsere Unterkunft und packten die Sachen.

 

Im Auto lief das Radio mit Musik, ansonsten herrschte Schweigen zwischen uns. Über Whats App erreichten uns schlimme Bilder und schließlich auch die Nachricht der Evakuierung unseres Dorfes. Unsere Tochter rief immer wieder an und fragte, wo wir denn gerade sind. Wir versuchten auch unseren Sohn Eike zu erreichen, welcher mit dem Zug aus Berlin nach Hause unterwegs war. Schnell kam die erlösende Nachricht, dass es ihm gut geht. „Mama, mach dir keinen Kopf. Ich komme schon irgendwie nach Hause.“ Beruhigte er mich. Einen Schlafplatz hatte er sich zu diesem Zeitpunkt auch schon organisiert.

 

Auf der Autobahn kurz vor Ludwigsfelde dann Stau, der Verkehr kam fast zum Erliegen. Was uns große Sorge bereitete - wir standen im Rauch. Im Rauch vom Waldbrand bei unserem Dorf. Die Nachrichten im Radio ließen auch nichts Gutes verlauten. Ich rief unsere Kameradin und gute Freundin Marina an und fragte, ob wir denn bei ihr unterkommen könnten. „Kein Problem“, kam schnell die Antwort. Einmal mehr telefonierte ich mit Lena, welche bereits bei uns zu Hause war, um die wichtigsten Sachen zu packen.

 

Mein Mann, der die ganze Fahrt nicht wirklich geredet hatte, machte nun doch den Mund auf. „Jetzt brennt uns das Haus unter dem A….. weg und wir als Feuerwehrleute können nichts dagegen tun“.

 

Endlich löste sich der Stau auf, eilig ging es weiter in Richtung Heimat. Je näher wir unserem zu Hause kamen, desto mehr schlug die Sorge in Angst um. Wieder stoppte unsere Fahrt, diesmal am Kreisverkehr in Treuenbrietzen. Ein Polizist hielt uns an und wollte uns die Durchfahrt verwehren. Mein Mann fuhr einfach los, den Polizisten ließen wir verdutzt stehen.

 

In Frohnsdorf angekommen bahnten wir uns den Weg zu unserem Haus. Überall standen Einsatzfahrzeuge, lagen Schlauchbrücken auf der Straße. Zu Hause angekommen erwartete uns bereits sehnsüchtig unsere Tochter. Die Nachbarn waren auf der Straße. Wir umarmten uns alle, sogar diejenigen die sonst sehr reserviert gewirkt hatten. Plötzlich saßen wir im selben Boot und wollten die Sache gemeinsam durchstehen. Wir tauschten uns aus, wo jeder schlafen würde und machten aus, gegenseitig in Kontakt zu bleiben. Ich merkte, dass ich nicht alleine war und das war ein gutes Gefühl.

 

Unsere Tochter hatte alles gut gepackt und meinte: “Los raus jetzt Mutti“, ich sagte „Gleich … fahre du jetzt los, mein Enkel, dein Sohn ist doch zu Hause, kümmere dich um ihn. Wir kommen schon klar!“.

 

Eines war mir noch ein Bedürfnis. Ich schrieb, ähnlich wie früher unseren Kindern, dem Haus einen Zettel. Auf diesem stand „Alles wird gut, wir kommen wieder!“. Schnell ging ich noch rüber auf den Sportplatz, wo sich einige meiner Kameraden in Bereitstellung befanden. Ich musste doch noch schauen, wie es ihnen ging. Eine kurze Umarmung, ein „Passt auf Euch und mein Dorf auf“ und dann konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Eindrücke und die Angst waren dann doch etwas zuviel geworden.

 

Jetzt weg hier. Mit unseren Hunden, einem Luftbett und den nötigsten Sachen zogen wir nun bei Marina ein. An Schlaf war nicht zu denken. Zu groß war die Sorge um unser Haus. Die Bilder im Fernsehen waren sehr dramatisch. Auf dem Handy flogen ununterbrochen Nachrichten ein. Immer neue Informationen, neue Bilder, welche man eigentlich nicht sehen wollte. An der Wohnung, mitten in Treuenbrietzen, fuhren nahezu im Minutentakt Einsatzfahrzeuge vorbei.

 

Am Nächsten Tag ging dann auch mein Mann nach dem Frühstück in den Einsatz. Ich fuhr in die Stadthalle, wo sich der Anlaufpunkt für die evakuierten Bewohner befand. Dort wurde verkündet, dass wir Frohnsdorfer um 13 Uhr in unsere Häuser zurückkehren dürften. Die Bewohner von Klausdorf und Tiefenbrunnen mussten weiterhin ausharren.

 

Bereits etwas früher machte ich mich mit dem Auto, auf dem sich mein Dachaufsetzer „Feuerwehr im Einsatz“ befand, auf den Weg nach Frohnsdorf, im Gepäck meine Hunde. Ich wollte sie in ihre gewohnte Umgebung zurückbringen und dann in unsere Feuerwache fahren, um zu helfen.

 

Von diesem Tag an schob ich zahlreiche Schichten auf unserem Tanklöschfahrzeug. Mal tagsüber, mal nachts. Es war ein beklemmendes Gefühl das Feuer zu sehen, aber aufgrund der alten Munitionreste aus den Weltkriegen nicht eingreifen zu dürfen. Immer wieder mussten wir warten, bis das Feuer die Reichweite unserer Strahlrohre, welche wir vom Weg aus einsetzten, erreicht hatte. Immer mal wieder knallte es im Wald, wenn Munition in die Luft flog.

 

Aber es gab auch schöne Momente. Die Dankbarkeit der Anwohner, viele neue Kameraden aus nah und fern kennen zu lernen oder die völlig neue Erfahrungen zu machen. Etwa mit einem Waldbrandrucksack und Wärmebildkamera, da wo es möglich war, durch den Wald „zu stiefeln“ und Glutnester abzulöschen. Hier kam mir, wie sonst selten im Feuerwehrdienst, meine kleine aber feine Körpergröße zu Gute. Ich passte prima unter dem Geäst durch, wo sich andere bücken mussten.

 

Ab Montag war dann mein Urlaub vorbei. Andere Arbeitgeber stellten meine Kameraden für den Einsatz frei aber ich musste pünktlich in der Firma sein. So legte ich meine Schichten auf dem Löschfahrzeug so, dass ich immer zwischen Arbeit, Feuerwehr und Bett pendelte.

 

Unzählige Stunden verbrachten mein Mann und ich so im Wald. Die Kinder, die ja glücklicherweise schon erwachsen sind, kamen auch sehr gut alleine zu recht.

 

Und egal wie anstrengend diese Tage auch waren, zu guter Letzt konnten wir nach langer harter Arbeit sagen: „Feuer aus“. Nicht nur unser Dorf, sondern auch Klausdorf und Tiefenbrunnen konnten erfolgreich geschützt werden. Für die Zukunft wünsche ich mir von allen Arbeitgebern, dass sie mehr Verständnis für unsere ehrenamtliche Arbeit aufbringen und das so etwas wie vom 23.08. bis 31.08. nie wieder passiert.

 

Bild zur Meldung: Ute Saxen