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Der etwas andere Einsatzbericht - Teil 2 von 5

19.09.2018

 

Vor gut zwei Wochen konnte vom Waldbrand bei Frohnsdorf, einer der größten in der Geschichte Brandenburgs, „Feuer aus“ gemeldet werden. 9 Tage Dauereinsatz, ca. 400 Hektar verbrannte Fläche, drei evakuierte Ortschaften und rund 5000 eingesetzte Einsatzkräfte verschiedener Hilfsorganisation. Von der ersten bis zur letzten Minute mit dabei, die ehrenamtlichen Kameradinnen und Kameraden unserer Ortsfeuerwehr.

 

Wie haben diese die Tage im Wald erlebt? Was sind ihre Eindrücke? Wir stellen einige Feuerwehrfrauen und -männer mit ihren ganz persönlichen Erlebnissen vor … der etwas andere Einsatzbericht. Heute Teil 2 von 5.

 

Name: Christian Henkel

Alter: 46

Dienststellung: Zugführer

Familienstand: verheiratet, 2 Kinder

Beruf: Angestellter in einem Treuenbrietzener Waldpflegebeitrieb

 

Als mich der Einsatzalarm am Donnerstagmittag (23.08) auf meinem Handy erreichte, war ich gerade beruflich im Wald bei Bad Belzig tätig. Auf Grund der Entfernung hatte ich keine wirkliche Chance zeitnah unsere Feuerwache zu erreichen. Ich dachte mir, dass es wie so oft in diesem Sommer, keine große Sache werden würde.

 

Als mich dann gut eine Stunde später die Nachalarmierung mit Hochstufung des Einsatzstichwortes erreichte, machte ich mich dann doch auf den Weg nach Treuenbrietzen. Mit jedem Kilometer den ich näher kam, wurde die Rauchsäule größer und das Ausmaß des Brandes sichtbarer. So etwas habe ich in über 25 Jahren Feuerwehrdienst noch nicht gesehen.

 

Als ich das Gerätehaus erreichte, schnappte ich mir meine Schutzausrüstung und wartete, gemeinsam mit anderen Kameraden, gefühlt eine Ewigkeit auf ein Einsatzfahrzeug in Richtung Frohnsdorf, denn zu diesem Zeitpunkt waren längst alle Einsatzmittel unserer Feuerwache draußen im Einsatz. Dort angekommen war ich zunächst auf unserem Löschgruppenfahrzeug eingesetzt. Doch mussten wir unsere Tätigkeit kurzfristig abbrechen. Eine Kameradin von uns, welche in Frohnsdorf wohnt, erreichte die Nachricht der Evakuierung. Sie musste schnell die wichtigsten Dinge zusammen packen. Zu diesem Zeitpunkt war Feuerwehr zwar wichtig, aber die ganz persönliche Notlage der Kameradin noch wichtiger. Sind zu diesem Zeitpunkt doch schließlich auch schon zahlreiche Feuerwehreinheiten aus dem ganzen Land im Einsatz gewesen, um die Orte Frohnsdorf, Tiefenbrunnen und Klausdorf zu halten.

 

Nach einer kurzen Pause mit Essen und Trinken sowie einer personellen Neuordnung saß ich nun als Maschinist auf unserem Tanklöschfahrzeug – Nachtschicht im Einsatzabschnitt bei Klausdorf. Ich setzte die Mannschaft bei der Brandschutzeinheit aus Elbe-Elster ab, die Kameraden hatten dort bereits einen Löschangriff aufgebaut um ein in Richtung Klausdorf laufendes Bodenfeuer aufzuhalten. Ich speiste mit meinen 3000 auf dem Fahrzeug befindlichen Litern Wasser die Einheit vor Ort ein. Fast unbemerkt wurde es dunkel, doch der Wald war hell erleuchtet – überall Feuer und Rauch. Das Bodenfeuer breitete sich immer noch auf einer Länge von mehreren hundert Metern aus, beängstigend, ist Klausdorf doch nicht mehr weit von uns entfernt. Mist – kein Wasser mehr. Mit Schippe, Spaten und Feuerpatsche bewaffnet, errichtete die Mannschaft einen Graben um das Feuer aufzuhalten – auch so geht Waldbrandbekämpfung. Schön war es zu sehen, wie wirksam die Methoden „von früher“ auch heute noch sind. Ich startete nach Bardenitz , Wasser holen. Auf dem Weg dorthin passierte ich die Dorfstraße vom evakuierten Klausdorf, ganz langsam. Überall lagen Schläuche, in fast jedem Vorgarten stand ein Löschfahrzeug. Aber hey … alle Häuser standen noch, Gott sei Dank. So pendelte ich die ganze Nacht zwischen der Wasserentnahmestelle in Bardenitz und der Einsatzstelle im Wald bei Klausdorf hin und her.

 

Gegen 5 Uhr dann ab zur Wache, wir waren alle müde und kaputt. Es wurde langsam hell, wie schnell doch die Nacht verging. Zu diesem Zeitpunkt war ich, wie die meisten auf dem Fahrzeug, schon über 24h auf den Beinen.

Nachdem wir die Wache erreichten, fuhr ich noch schnell in die Firma. Ich meldete mich für die nächsten Tage ab, denn ich wusste, der Einsatz wird länger gehen.

 

Zu Hause angekommen wechselte ich noch schnell ein Paar Worte mit meiner Familie. Dann ab ins Bett. Nach drei Stunden Schlaf war dieser dann auch schon wieder vorbei, mein Pieper, welcher wie immer auf meinen Nachttisch lag, alarmierte unsere, noch einsatzbereite Drehleiter, zu einem Gebäudebrand nach Bad Belzig. „Es sind doch sicher alle verfügbaren Kameraden im Einsatz im Wald und ich bin doch Drehleiter-Maschinist“, dachte ich mir, also angezogen und ab zur Wache. Die Drehleiter war zu diesem Zeitpunkt schon längst mit anwesenden, gerade aus dem Waldbrandeinsatz herausgelösten Kräften, besetzt und ausgerückt.

 

Aber da wartete unser Tanklöschfahrzeug darauf, wieder in den Einsatz geschickt zu werden. So übernahm ich das Fahrzeug, jetzt als Einheitsführer. Als ich mich bei der Einsatzleitung anmeldete, wurde ich sofort in den Abschnitt bei Frohnsdorf geschickt. Dort breitete sich das Feuer wieder aus. Aber Achtung hieß es, der Wald ist voller Altmunition. Dort angekommen war eine starke Rauchentwicklung sichtbar, wir zogen unsere Atemschutzmasken auf, um keine giftigen Gase einzuatmen. Wir löschten wegen der Munition nur von den Wegen aus. Doch um eine Ausbreitung effektiv verhindern zu können, musste Unterstützung aus der Luft her. Es dauerte nicht lange, da kreiste auch schon der Hubschrauber über uns und warf sein Wasser ab, 5000 Liter je Anflug. „Geschafft – dieser Brandabschnitt ist gesichert“ freuten wir uns.

 

Jetzt am Tage wurde das Ausmaß des Brandes so richtig deutlich. Tausende Bäume waren vom Stamm bis zur Krone schwarz, völlig verbrannt. Überall waren brennende oder qualmende Baumstumpfen und Glutnester, die vor sich hin schwelten. Alles Leben, was nicht fliehen konnte, wurde verbrannt.

 

Am späten Abend dann das Schichtende für uns. Als wir das Gerätehaus erreichten, dann das unfassbare. Zahlreiche Bürger, welche vorher nie etwas mit der Feuerwehr zu tun hatten, haben mit gespendeten Lebensmitteln eine noch nie dagewesene Versorgung für die Einsatzkräfte aufgebaut. Essen und Trinken hält die Seele zusammen, da kommt man doch gerne zur nächsten Schicht, dachte ich mir.

 

Zu Hause angekommen warteten auch noch die Alltagsverpflichtungen auf mich. Ich wässerte noch schnell den Garten und wechselte ein paar Worte mit Frau und Kinder. Dann bin ich vor Müdigkeit auch schon ins Bett gefallen.

 

Am Samstag fuhr ich wieder als Einheitsführer unseres Tanklöschfahrzeugs raus in den Wald. Erneut mussten aufflammende Waldflächen abgelöscht werden. In unserem Abschnitt bei Frohnsdorf mit im Einsatz – Löschpanzer „Hedi“. Ihren 11000L fassenden Löschwassertank transportierte sie auf einem alten T55 Fahrgestellt durch das unwegsame Gelände. Unser neuer Auftrag war „Hedi“ mit Wasser zu versorgen. Doch war unser Tanklöschfahrzeug schon deutlich vom Dauereinsatz gezeichnet. Der Saugbetrieb der Pumpe funktionierte nicht mehr. So orderte ich ein voll funktionstüchtiges Löschfahrzeug aus dem Bereitstellungsraum, um gemeinsam mit diesem den Auftrag erfüllen zu können.

 

Nach zwei Füllungen dann eine Schrecksekunde. In „Hedis“ Einsatzbereich wurde alte, panzerbrechende Munition gefunden. Bis zur Räumung bzw. Entschärfung dieser, wurden alle Einsatzkräfte abgezogen.

 

In den Folgetagen ist der „Außendienst“ für mich erst einmal Geschichte. Unsere Zentrale auf der Feuerwache musste ja auch 24h besetzt werden. Dort kümmerte ich mich, ebenfalls im Schichtbetrieb, mit anderen Kameraden, um die großen und kleinen Probleme in und um unsere Feuerwache. Von der Einsatzplanung zur Besetzung unserer Fahrzeuge, die Planung der Essenversorgung und Schlafplätze für die Einsatzkräfte, bis hin zu kaltem Duschwasser oder Verstopfungen. Abwechslung war garantiert und Spontanität gefragt – Feuerwehr eben.

 

Ab Dienstagabend kam unserer Zentrale dann noch eine weitere Aufgabe zu. Auf Grund der Entspannung der Einsatzlage wurde die große Technische Einsatzleitung auf dem Sportplatz in Frohnsdorf abgebaut, die s. g. Stabsarbeit eingestellt und die Einsatzleitung im deutlich reduzierten Umfang in die Feuerwache Treuenbrietzen verlegt.

Jetzt galt es zusätzlich von Treuenbrietzen aus bis zu 6 Tanklöschfahrzeuge und das THW in den Einsatzabschnitten zu koordinieren.

 

Bis Freitag, als es die Einsatzlage da draußen zu lies, ging das Spiel so. Pendeln zwischen Bett und Schichtdienst in der Zentrale. Am Freitag, den 31.08.2018 konnte ich nach 9 Tagen Dauereinsatz um 17.05 Uhr als Diensthabender in der Technischen Einsatzleitung, auf Anweisung des Einsatzleiters, dann die erlösende Mitteilung zur Leitstelle nach Brandenburg an der Havel geben: „Feuer aus, Waldflächen an die Eigentümer übergeben, die Technische Einsatzleitung wird hiermit abgemeldet, Alarmierung der Feuerwehr Treuenbrietzen ab sofort wieder über Funkmeldeempfänger.“

 

Am Wochenende habe ich dann irgendwie wieder zurück zur Normalität gefunden und angefangen, die liegen gebliebenen Sachen der letzten eineinhalb Wochen aufzuarbeiten. Ich bin froh, dass das alles vorbei ist und alle mit einem blauen Auge davon gekommen sind.

 

Bild zur Meldung: Christian Henkel